BERGEN

 

Von der Lebendigkeit malerischer Mittel und dem „bergen“ des Bildes aus dem Material heraus, erzählen die neuen Arbeiten von Jens Rausch. Die Gratgebirge, Kammgebirge, Kettengebirge oder Auffaltungen seiner Serie „BERGEN“ zeigen einen überraschenden Weg, die Welt ins Bild zu bringen. Aus Materialien, die selbst einmal Berge waren, wie Marmormehl oder Kalk, Schmelzwasser oder Graphit, fertigt er Werke, die durch ihre Poesie bestechen und gleichzeitig die klassische Malerei komplett über Bord werfen.
Der Betrachter ist eingeladen, dem Künstler auf den Spuren eines neuen bildnerischen Denkens zu folgen, sich mit ihm auf eine Expedition in das Reich formgebender Möglichkeiten zu begeben. Denn statt einen originalgetreuen Abdruck der Wirklichkeit zu liefern, spielt der Künstler mit den Strukturen und Oberflächen und mit der Eigendynamik chemischer Prozesse, die dem Bild im wahrsten Sinne des Wortes eine Form von Leben einhauchen. Der Mythos von der Lebendigkeit der Malerei wird hier auf den Punkt gebracht, das Bild zum Greifen nahe. Es wächst durch die bildhauerische Bearbeitung des Trägermaterials in den Raum hinein – der Berg ist oftmals ein wirklicher Berg, die Auffaltung eine tatsächliche Erhebung des Materials.
Das Bild selbst dagegen entsteht nicht aus dem Auftragen von Farbe, sondern wird, im Gegenteil, freigelegt. Schicht um Schicht unternimmt der Künstler geologische Tiefenforschungen in das Material hinein, trägt es partiell wieder ab und komprimiert damit Erosionsabläufe, die über Jahrtausende hinweg erfolgen. So wird die Zeit verdichtet, zusammengestaucht und sichtbar gemacht und der Zerfallsprozess zum künstlerischen Konzept.
Jens Rausch möchte uns nicht einfach Berge zeigen, sondern erforscht in seinen Bildern, inwieweit wissenschaftliche Theorien die Welt wirklich erfassen und wiedergeben können. Er wendet weder die klassische Perspektivlehre noch eine realistische Malweise an. Stattdessen geht er neue Pfade eines Erfassens der Welt, die er in ihren Strukturen zu begreifen versucht.
Die zweite Einzelausstellung des in Hamburg lebenden Künstlers bei heliumcowboy nimmt die geologische Terminologie des Auffaltens, der Schichten oder der Erosion als Ausgangspunkt für eine Reise, die mit dem Potential einer Malerei experimentiert, die in Material wie auch Form äußerst ungewöhnliche Wege geht.


(Anne-Simone Krüger, Oktober 2018)