ERINNERUNG AN ORTE - ORTE DER ERINNERUNG

   

Erinnerung ist das mentale Wiedererleben früherer Erlebnisse und Erfahrungen. Im abgelegt inneren 'Bild' verbleibt sie bis zur mentalen Erweckung stets auch in Verbindung mit einem emotionalen Zustand, der fest mit den gefilterten Bildessenzen verknüpft worden ist. Die wesentlichsten Bestandteile aus diesem Zustand können dabei in unterschiedlichsten Graduierungen reaktiviert werden. Das können dann vage Erinnerungen sein oder aber Erinnerungen, die mit einer beinahe als fotografisch empfundener Schärfe wiedererlebt werden können.

In seinen neuen prozesshaften Arbeiten erinnert sich Jens Rausch an seine eigenen Wurzeln und jene Orte, die fest mit seiner Herkunft verbunden sind.
Die unter dem Titel 'Orte der Erinnerung – Erinnerung an Orte' entstandene neue Werkserie zeigt realistisch gemalte Kultur- und Waldlandschaften, die sich nahezu austauschbar und stereotyp auch im kollektiven Gedächtnis wiederfinden lassen.

Doch Rausch belässt es nicht bei einer bloßen malerischen Landschaftsdarstellung: Durch zerstörerische Eingriffe geht er den Bildträger visuell an. Das Idyll der Landschaft scheint bedroht, hat gewissermaßen Risse und Kratzer abbekommen. Das Bildmotiv wird mit Feuer immer wieder zerstörerisch durchfurcht. Wie vermeintliche Gedächtnislücken durchziehen diese Eingriffe das Bildmotiv und lassen einzelne Bildelemente verschwinden, verblassen oder oxidieren. Die Gegenwart von Vergänglichkeit ist elementarer Bestandteil der Bilder. Wie der Zahn der Zeit nagen die zerstörerischen Eingriffe an den Oberflächen der jeweiligen Bildträger und erwecken beim Betrachter eigene Assoziationen im autobiografischen Gedächtnis.

Rausch nutzt die zerstörerischen Eigenschaften seiner Materialien immer auch als eine Metapher für Vergänglichkeit und dem Hinweis zur Erneuerung: Eisenoxyd als essentieller Bestandteil von Lebewesen – Rost als Ergebnis zu dessen Rückführung in einen natürlichen Kreislauf; Feuer als kalorische Energie und damit Leben erhaltendes, jedoch gleichermaßen vernichtendes Naturelement.

Durch diesen Einsatz von Prozessmaterialien baut Jens Rausch gleichzeitig den Aspekt von Zeit in seinen Arbeiten ein, denn auch nach Fertigstellung und Verlassen des Ateliers können die Prozesse weitergehen, sodass die Bilder ein Eigenleben unabhängig von der Hand des Künstlers entwickeln. Rauschs Bilder dokumentieren deswegen einerseits einen Zwischenzustand zwischen Werden und Vergehen. Andererseits versucht er auch zum Teil den Prozess anzuhalten, indem er Materialien wie beispielsweise Wachs mit seiner konservierenden Eigenschaft beifügt. Zeit ist in all seinen Facetten allgegenwärtig.

Jens Rausch öffnet mit seinen Landschaftsbildern Fenster der Erinnerungen und lädt den Betrachter ein, damit auch seine ganz eigenen Wurzeln zu ergründen.

  

Lavinia Rosen